Ein Teil unseres Teams war unterwegs auf einer dreiwöchigen Fotoreise auf dem kleinen Atlantikarchipel Kap Verde. Drei Wochen voller wunderbarer Fotografien, Videos, voll netter Menschen und atemberaubender Natur. Und einer unglaublichen Geschichte.
Nach knapp einer Woche auf der Insel Boa Vista machten wir uns auf, eine Bootsfahrt auf die wesentlich größere Insel Santiago zu unternehmen. Auf Santiago liegt unter anderem die Hauptstadt der Kapverdischen Inseln, Praia und das beschauliche Fischerdorf Tarrafal. Um zu diesen fotografisch interessanten Orten zu kommen, lag nun also jene Bootsfahrt vor uns. Von Boa Vista aus gibt es statt einer regulären Fährverbindung nur Frachtkähne, welche sehr unregelmäßig fahren. Statt planmässig um 12 Uhr sollte unser Boot nun erst gegen 22 Uhr ablegen. So blieb uns viel Zeit für Fotos und Videos, die den emsigen Betrieb im Hafen und beim Beladen des Schiffes dokumentieren. Ein interessantes Motiv jagte das nächste. Nebenbei blieb ausreichend Zeit sich Gedanken über den Wellengang, den Zustand des Schiffes, die fehlende Sorgsamkeit beim Verladen der Waren und die berüchtigte Seekrankheit zu machen. Kein Problem das alles, dachten wir.
Als die Vorfreude auf eine abenteuerliche Überfahrt ins Unermessliche gestiegen war, kam plötzlich Bewegung in die wartende Menschenmenge. Mehrere Autos fuhren vor und schwer bewaffnete Polizisten brachten – unter den wehklagenden Rufen ihrer Verwandten –mehrere Gefangene auf unser Schiff. Eine gespenstisch bis bedrohliche Szenerie bot sich, die uns staunen ließ. Kurz darauf durften wir einchecken und unserem Kameraassistenten war in diesem Moment klar, dass er mit diesem Schiff, voll gepackt mit schlechtverstauten Gütern, mit möglicherweise gefährlichen Strafgefangenen und einer großen Anzahl anderer Passagiere, bei leicht rauhem Seegang und mitten in der Nacht nicht zehn Stunden über den Atlantik fahren will. Die sofort beim Betreten des Schiffes einsetzende Seekrankheit gab ihm den Rest. Also gingen wir, nach einem ereignisreichen Tag, zurück in unser Hotel und genossen am nächsten Morgen einen entspannten, halbstündigen Flug nach Santiago.
Das Schiff ist natürlich unbeschadet angekommen.
Ich, der Kameraassistent, bereue nichts.
(Ich, der redigierende Chef, schon. Denn ich musste am nächsten Tag „entspannt“ fliegen – trotz Flugangst.)